Justizministeriums-Generalsekretär Christian Pilnacek sagte vor dem BVT-U-Ausschuss aus.
„An diesem Fall ist wenig üblich“ – in dieser Einschätzung der BVT-Affäre waren sich die Zeugen im U-Ausschuss am Mittwoch einig. Während aber die Leiterin der Korruptionsstaatsanwaltschaft vehement die Arbeit ihrer Behörde verteidigte, bewertete der oberste Justizbeamte Christian Pilnacek zwar die Vorgangsweise insgesamt als „vertretbar“, äußerte aber doch auch Unmut über die Staatsanwälte.
„Es ist außergewöhnlich und es ist in diesem Umfang nicht vorgekommen, dass so eine Institution der Republik untersucht wird, insofern ist vieles an dem Fall nicht üblich“, erklärte der Generalsekretär des Justizministeriums, der mit den Vorgängen in der Causa bekanntlich nicht glücklich ist. So hat es Pilnacek bei einer Dienstbesprechung im Justizministerium im März als „Skandal“ bezeichnet, dass sein Pendant im Innenministerium, Peter Goldgruber, im Jänner direkt mit der Staatsanwältin Kontakt aufgenommen hatte, mit ihm aber nicht. Seine Wortwahl wollte im Untersuchungsausschuss nicht wiederholen – inhaltlich blieb er aber dabei: Pilnacek „Ich hätte es für angemessen empfunden, dass die Kontaktaufnahme auf der gleichen Hierarchieebene stattfindet.“
Pilnacek konnte sich Seitenhieb nicht verkneifen
Hörbar verschnupft ist Pilnacek bis heute auch, weil es die Staatsanwaltschaft nicht für wert befunden hat, ihn im Vorhinein über die umstrittene Razzia im Verfassungsschutz Ende Februar zu informieren. Er habe davon erst mit dem Bericht der WKStA am Tag danach erfahren. Grundsätzlich ist die Staatsanwaltschaft nicht zur Berichterstattung vor einzelnen Ermittlungsschritten verpflichtet, räumte er ein, doch „Einholung von Rat kann nicht schaden“, findet er. „Es zählt zur Philosophie dieser Staatsanwaltschaft, das Ministerium nicht zu informieren“, konnte sich Pilnacek einen Seitenhieb nicht verkneifen. Mittlerweile gebe es eine Weisung an die WKStA, bei Zwangsmaßnahmen künftig Bericht zu erstatten.
Die Frage, ob er statt der Hausdurchsuchung den Weg der Amtshilfe empfohlen hätte, um an die gewünschten Unterlagen zu kommen, wollte Pilnacek zwar nicht direkt beantworten, weil es sich um eine „Was wäre wenn-Frage“ handle. Mehrmals, auch in der Frage nach etwaigen Ermittlungsfehlern, verwies er aber auf das Oberlandesgericht Wien, das die Razzia inzwischen größtenteils für unzulässig erklärt hat.
Daten „nicht punktgenau“ sichergestellt
Einigermaßen verwundert zeigte er sich auch darüber, dass das Büro der Leiterin des Extremismusreferats im BVT durchsucht wurde. Darauf angesprochen, dass auch Daten ausländischer Partnerdienste mitgenommen wurden, merkte Pilnacek an, seiner Auffassung nach „wurde nicht punktgenau sichergestellt“.
In der Korruptionsstaatsanwaltschaft ist man nach wie vor überzeugt, alles richtig gemacht zu haben. Behördenleiterin Ilse Vrabl-Sanda verteidigte die Arbeit ihrer Kollegen im Ausschuss selbstbewusst – eine Instrumentalisierung durch das Innenministerium, wie sie die Opposition vermutet, kann sie nicht erkennen. Das Wort „Ermittlungsdruck“ sei in ihrer Behörde mittlerweile das Unwort des Jahres.
Das OLG habe den Tatverdacht auch im Nachhinein bestätigt, erinnerte Vrabl-Sanda. Dass man sich für die Razzia entschieden habe, erklärte sie mit der Gefahr der Selbstbelastung des beschuldigten BVT-Chefs Peter Gridling bzw. mit der Notwendigkeit private Dokumente sicherzustellen, was im Rahmen der Amtshilfe schwierig gewesen wäre. Kein Problem sieht sie im Kontakt zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei. Zwar fand sie auch vieles ungewöhnlich, etwa dass Kabinette Zeugen zur Verfügung stellen. Aber jeder, der etwas beizutragen habe, sollte das auch tun und beim Generalsekretär des Innenressorts sei man davon ausgegangen, dass er dazu imstande sei.
Dieser Aspekt gibt weiter Rätsel auf
Weiter ein Rätsel bleibt, wieso Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) in einer schriftlichen Anfragebeantwortung behauptet hat, dass die Staatsanwaltschaft vorzeitig darüber informiert war, dass die Zeugen schon vor ihrer Einvernahme vom Ministerkabinett befragt wurden. Vrabl-Sanda bestritt dies wie bisher sämtliche Auskunftspersonen aus ihrer Staatsanwaltschaft.
Abseits des U-Ausschusses war die FPÖ am Mittwoch damit beschäftigt, Vorwürfe zurückzuweisen, dass Generalsekretär Goldgruber vor der Razzia erfolglos Auskunft über konkrete Ermittlungen gegen Burschenschaften eingeholt habe. Kickl sah in der Anfrage nicht Ungewöhnliches und sprach von einem „Auftrag der SPÖ“ für eine Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates. Für „völlig unglaubwürdig“ hält das SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda.
Goldgrubers Erscheinen „auffällig“ und „unüblich“
Als dritter Zeuge ist im BVT-Ausschuss am Mittwoch Staatsanwalt Robert Jirovsky befragt worden, der als Leiter der zuständigen Abteilung im Justizministerium eine Prüfung der Vorgangsweise der Korruptionsstaatsanwaltschaft vorgenommen hat. Dass der Innenministeriums-Generalsekretär persönlich an die Staatsanwältin herantrat, um ihr ein Konvolut mit Vorwürfen zu übergeben, sei „auffällig“ gewesen.
Üblich wäre gewesen, dass sich der Generalsekretär des einen Ressorts an sein Gegenüber im anderen Ressort, also dieselbe Ebene, wendet, erklärte Jirovsky und bestätigte damit jene Ansicht, die schon Justizministeriums-Generalsekretär Christian Pilnacek Mittwochvormittag im U-Ausschuss kundgetan hatte. Dass der ranghöchste Beamte eines Ministeriums persönlich zur Staatsanwältin kommt und Zeit investiert, um mit der Bitte der strafrechtlichen Prüfung ein Konvolut mit Vorwürfen zu übergeben, sei „absolut unüblich“.
WKStA hätte „ein bisschen sensibler“ vorgehen sollen
Er persönlich hätte sich gewünscht, dass die WKStA hier „ein bisschen sensibler“ gewesen wäre, sagte Jirovsky. Gesetzmäßig habe sich die WKStA „völlig korrekt verhalten“, betonte der Spitzenjurist, aber er als Staatsanwalt hätte in diesem Fall die Oberbehörde informiert. Immerhin handelte es sich um schwerwiegende Vorwürfe gegen Personen des öffentlichen Lebens, also einen Sachverhalt von öffentlichem Interesse.
Auf den Einwand der FPÖ, dass sich ein Verschlussakt und öffentliches Interesse doch widersprechen, stellte der Zeuge klar, der gesetzliche Ausdruck „öffentliches Interesse“ habe nichts mit Medienberichterstattung zu tun, sondern mit einem Anspruch der Öffentlichkeit auf ordentliche Amtsführung. Die Oberbehörde sei außerdem kein Außenstehender, sondern die vorgesetzte Dienststelle und sei daher nicht auszuschließen, „ganz im Gegenteil“.
Jirovsky verfasste im März eine Bewertung der umstrittenen Vorgänge. In Bezug auf den Vorwurf der Weitergabe nordkoreanischer Pass-Rohlinge an Südkorea hätte man demnach auf Amtshilfe setzen sollen, im Zusammenhang mit dem Verdacht des Datenmissbrauchs im BVT sei es aber „zumindest vertretbar“ gewesen, zum Mittel der Hausdurchsuchung zu greifen. Insgesamt sei man deshalb zum Schluss gekommen, dass die Vorgangsweise der WKStA „vertretbar“ gewesen sei – aber „wir hätten es wahrscheinlich trotzdem anders gelöst“, sagte Jirovsky. Dass das Oberlandesgericht Wien die Razzia inzwischen für unzulässig erklärt habe, sei zur Kenntnis zu nehmen. Persönlich bleibe er aber auch aus heutiger Sicht dabei, dass die Einschätzung der WKStA vertretbar gewesen sei.
Schmudermayer kommt noch einmal
Die in der BVT-Affäre zuständige Staatsanwältin Ursula Schmudermayer muss noch einmal im U-Ausschuss erscheinen. Darauf haben sich die Fraktionsführer Mittwochnachmittag in einer Sitzung hinter verschlossenen Türen verständigt.
Konkret soll Schmudermayer schon beim nächsten Ausschusstermin Donnerstag kommender Woche wieder zur Verfügung stehen. Bei ihrer gestrigen Befragung waren die Abgeordneten mit der vorgesehenen Fragezeit nämlich nicht ausgekommen. Ebenfalls am Donnerstag Ausschussgast sein wird die Leiterin des Extremismusreferats im BVT.
Noch keine Entscheidung gefallen ist bezüglich einer Höherklassifizierung der dem Ausschuss übermittelten Akten des Rechtsanwalts Gabriel Lansky. Die Opposition trat geschlossen dafür ein, diese von Stufe 1 auf Stufe 3 anzuheben. Die Koalition hat sich noch nicht entschieden, ob sie dem Ansinnen zustimmt. Daher wandert die Causa vorerst in die Präsidiale, hieß es nach der Sitzung.